Hagener auf Tortour de Ruhr

Am Samstag (18.5.) startet einer der ungewöhnlichsten, wenn nicht der ungewöhnlichste Ultralauf Deutschlands: Die „TorTour de Ruhr“. Sie geht über 230 Kilometer nonstop von Winterberg bis Duisburg immer den Ruhrtalradweg entlang. Das Zeitlimit: 37 Stunden. Man kann auch ein Teilstück mitlaufen; 160,9 Kilometer oder 100 Kilometer.

Ungewöhnlich ist der Lauf nicht nur wegen der Länge. Ungewöhnlich ist auch, dass man sich dort nicht einfach anmelden kann. Man wird eingeladen, oder braucht einen Fürsprecher, der die volle Strecke schon mal gelaufen ist. Zwei Hagener laufen mit: Martin Stay und Stefan Ledwig

 


© Ralf Schaepe

„Wer da mitläuft, muss einen an der Waffel haben.“ Das sagt Jens Witzel, und der muss es wissen: Witzel hat die Tortour 2007 erfunden. Er brauchte ein Training. Das geriet etwas länger – und ging von Winterberg bis Duisburg. So entstand die Tortour de Ruhr. Laufen. Nonstop. Für die Gesamtstrecke hat man 37 Stunden Zeit. Noch sind es ein paar Tage bis zum Start in Winterberg. Der Hagener Stefan Ledwig wird dabei sein, wenn Samstag morgen um 8:00 Uhr gestartet wird: „Ganz ehrlich? Mir geht der Arsch auf Grundeis. Das können und wollen in Deutschland nicht allzu viele Leute laufen. Das ist schon ein richtiges Brett. Aber ich habe da richtig Bock darauf. Ich möchte mich der Herausforderung stellen; ich werde alles geben. Wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr, aber bis dahin werden wir erst mal sehen.“

Martin: 100 Kilometer. Stefan: 230 Kilometer. Am Stück.

Martin Stay: Über 1000 Trainingskilometer seit Jahresanfang© Ralf Schaepe
Martin Stay: Über 1000 Trainingskilometer seit Jahresanfang
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Mindestens 264 Leute haben einen an der Waffel: so viele Starter sind gemeldet. Jeder ist vorbereitet. Ein ganz normaler Läufer läuft vielleicht eine Strecke von 5-10 Kilometern pro Training. Manche mehr. 21 kommanochwas Kilometer sind ein Halbmarathon. 42 kommanochwas sind ein Marathon. Ein normaler Läufer sieht den oft als Krönung seines Läuferlebens. Und zwar vollkommen berechtigt. Die Tortour de Ruhr sind 5 davon hintereinander. Und dann noch ein halber drauf.

Der "Bambinilauf": das sind die 100 Kilometer...

Martin Stay ist der zweite Hagener, der Samstag startet. Er läuft 100 Kilometer. Das ist erlaubt, es ist eine Alternative zur Gesamtstrecke: 100 Kilometer nennt Veranstalter Jens Witzel den „Bambinilauf“. Möglicherweise meint er das sogar ernst. 100 Kilometer sind rund zweieinhalb Marathons. Martin ist gut vorbereitet. Was falsch laufen kann? Die Gedanken macht man sich schon vor dem Tag X: „Hat man alles gemacht? Hat man genug gemacht? Was ist, wenn es so warm wird wie am 1. Mai – dann hat man andere Probleme als bei kühlen Temperaturen. Aber am Ende ist das normal und vor jedem Lauf so. Und wenn man die ersten Schritte gemacht hat, ist das alles weg, und in der Regel stellen sich die befürchteten Probleme auch nicht ein.“

Stefan Ledwig (l) und Martin Stay (r) im Radio-Hagen-Gespräch© Maggy Ledwig
Stefan Ledwig (l) und Martin Stay (r) im Radio-Hagen-Gespräch
© Maggy Ledwig

Noch sind es ein paar Tage bis zum Start (Samstag, 18.5. 8:00 Uhr für Stefan, Sonntag 19.5. um 4:00 Uhr morgens für Martin). Wie bereitet man sich auf so einen Mörderlauf vor? Wie kommen zwei sozial völlig unauffällige Hagener dazu, sich an Deutschlands längstem Nonstoplauf zu beteiligen? Mit 17 Stunden Zeitlimit für Martin und 37 Stunden für Stefan. In Duisburg leuchtet das „Rheinorange“ vor sich hin. Eine knallorangene Skulptur, das Ziel der insgesamt 264 Läufer und vom Start aus gesehen noch sehr, wehr weit weg. Wie kommt man in Form dafür?

 

„Wer lange laufen will, muss lange laufen“, sagt Martin Stay. Ich würde dazu sagen: Und Disziplin haben. Ich kenne Martin, wir sind einige Kilometer zusammen gelaufen. Ab Laufkilometer 10 merkt man: Er ist warm geworden. Alles passt. Körperhaltung, Laufrhythmus, Tempo und mentales Setting. Der 41-Jährige läuft wie ein Dieselmotor. Unbeirrbar. Zum TorTourtraining gehören bei ihm rund 80 Laufkilometer pro Woche. Angefangen hat er wie alle. 5 Kilometer waren das erste Trainingsziel. Dann 10. Dann Halbmarathon. In der Tortourvorbereitung hat er zuletzt etwa Beispiel 50-Kilometerwettbewerbe gelaufen, 24-Stundenwettbewerbe und so fort. In diesem Jahr hat er bereits 1074 Trainingskilometer auf dem Tacho. Was reizt ihn an der Tortour?

Wer lange laufen will, muss lange laufen

Stefan: "Ich kann leiden. Das ist meine Superkraft."© Ralf Schaepe
Stefan: "Ich kann leiden. Das ist meine Superkraft."
© Ralf Schaepe

„Seitdem ich mit dem Ultralaufsport befasse, hat mich die Tortour durch ihr Flair und durch Erzählungen immer beeindruckt. Nicht unbedingt als Wettbewerb, sondern als Ultralauffamilien-Happening. Die Atmosphäre muss klasse sein, erzählen andere Leute, und deswegen war das Event immer eines, das ich auf jeden Fall mitnehmen möchte. Die Gedanken kamen auch immer, wenn ich einen anderen Läufer mit einem TorTour-T-Shirt gesehen habe. Und jetzt hoffe ich, bin ich auch so weit, zumindest mit dem Bambinilauf über 100 Kilometer mit einzusteigen.“

Stefan Ledwig, 43 Jahr alt, hat einen Trainingsplan, der unter Normalläufern als exotisch gilt: Seit Januar jeden Tag 15 Kilometer. Jeden Tag. Keine Pause. Das summiert sich. Im Januar hat er 500 Monatskilometer. Warum? Er mag die Herausforderungen und er braucht sie, sagt er. Und: Die Tortour hat eine besondere Qualität, meint auch er. „Ich habe schon viele Sportarten gemacht, und diese Ultralaufszene ist die herzlichste, die ich je gesehen habe. Die helfen einem, die fragen während des Wettkampfs, ob alles ok ist, gehen zwei Meter mit Dir, wenn es Dir nicht gut geht, teilen ihr Wasser, ihren Riegel. Die scheinen alle irgendwie gleich zu ticken, nach Abenteuern zu suchen – dabei ist der Leistungsgedanke etwas weniger, und das Gemeinschaftsgefühl etwas mehr als bei anderen Sportarten.“

© Maggy Ledwig
© Maggy Ledwig

Martin: "Die Tortour ist ein Familienhappening für Ultraläufer".

Das sagen Tortourläufer immer wieder: Du stehst in der Landschaft herum und weißt gerade nicht, wo es lang geht? Die Mitläufer helfen dir auf den Weg. Deine Verpflegungscrew ist weit weg, der Durst groß? Kein Problem; Die Konkurrenz hat noch ein Trinkpäckchen für Dich über.

Das hindert einen nicht am Leiden beim Laufen – auch das ist Teil der Faszination, so Ledwig. „Ich kann Dir sagen, wie sehr ich bei 160 Kilometer gelitten habe. Ich kann leiden, das ist meine Superkraft. Bei einem meiner härtesten Lauftage hatte meine Achillessehne Probleme gemacht. Ich hatte riesige Blasen. Ich hatte einfach einen schlechten Tag erwischt, aber ich bin gelaufen.“

Auf dem langen Lauf helfen Dir auch die Teams der Konkurrenten mit Wasser oder einem Energieriegel aus.

© Ralf Schaepe
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Die Tortur ist eine Kultveranstaltung. Wegen des Humors des Veranstalters. Weil man sich nicht zu dem Lauf anmelden kann, sondern eingeladen wird. Weil auf der Homepage dort, wo andere „Merchandising“ schreiben bei der Tortour steht: Poserkram. Die Läufer laufen hauptsächlich gegen sich selbst, die anderen sind Kollegen und Kumpel. Und es sind nur wenige, die so eine Strecke ernsthaft in Angriff nehmen können. Außerdem muss man ja einen an der Waffel haben, und das hat auch nicht jeder.


Ralf Schaepe

Das Ziel ist das "Rheinorange" in Duisburg.

Von Winterberg in Richtung Duisburg: Da, wo es orange leuchtet, ist das Ziel.© Heike Heuer
Von Winterberg in Richtung Duisburg: Da, wo es orange leuchtet, ist das Ziel.
© Heike Heuer
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