Unsere Zukunft - Leben mit dem Klimawandel: Der Förster

Die meisten Bäume in deutschen Wäldern sind krank. Auch das ist eine Folge des Klimawandels. Förster wie Norbert Tennhoff suchen nach Lösungen.

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Hätten Bäume eine Stimme - Sie würden schreien

Vier von fünf Bäumen, die bei uns in den Wäldern stehen, sind krank. Das ist das Ergebnis des letzten Waldzustandberichtes der Bundesregierung.

Auch bei uns in Nordrhein-Westfalen stirbt der Wald. Nur noch 20 Prozent der Bäume in unseren Wäldern sind gesund, schätzt der Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem man die Folgen des Klimawandels schon jetzt so deutlich ablesen kann.

Im Wald dauert alles lange - Der Klimawandel kommt schneller

Norbert Tennhoff ist seit über 30 Jahren Förster. Studiert hat er in Göttingen, aufgewachsen ist er im Münsterland, inzwischen arbeitet er in den Wäldern im Sauerland. Da, wo seit einigen Jahren das große Fichtensterben begonnen hat. 

"Diese Kahlflächen, die jetzt mit toten Bäumen besetzt sind, das hätten wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht ausmalen können - vielleicht wollte man das auch nicht. Aber dass es so schnell geht, das hatte keiner auf dem Schirm."

Die Fichte steht wie kaum ein anderer Baum für den deutschen Wald. Hier haben sich Hänsel und Gretel verlaufen, hier trifft Rotkäppchen auf den bösen Wolf. Aber der Klimawandel macht das Überleben der Fichte in weiten Teilen der nordrhein-westfälischen Wälder unmöglich. Lange Trockenperioden, zu wenig Niederschläge, dazu kommen immer heftiger werdende Stürme. Unter diesen Folgen des Klimawandels leiden die Nadelbäume und werden so ein leichtes Spiel für Schädlinge.

"Borkenkäfer entwickeln sich bei höheren Temperaturen und längeren Sommern schneller. Früher haben sie eine oder zwei Generationen geschafft, inzwischen sind es bis zu vier Generationen."

Der natürliche Lebensraum der Fichte ist nicht bei uns

Der einzige natürliche Verbreitungsraum der Fichte bei uns in Deutschland ist die Hochlage der Alpen. Fichte wurde aus der Not heraus bis ins Flachland angebaut, erzählt der Förster. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges musste Deutschland Reparationszahlungen an die Siegermächte zahlen - auch in Form von Holz, denn Holz war nach dem Krieg ein knappes Gut. Deshalb wurden weite Teile der Wälder in der Eifel, im Sauer- und Siegerland abgeholzt und u.a. Nach Großbritannien exportiert. Bei der Wiederaufforstung fehlten damals die Alternativen.

Leben mit dem Klimawandel: Der Förster

Kein anderes Saatgut nach dem zweiten Weltkrieg

"Die Kollegen hätten sich sicherlich gewünscht, Eichen, Buche, Ahorn oder Kirsche anzupflanzen, aber dieses Saatgut gab es nicht. Und bevor der Humus abgewaschen und der nackte Felsen im Sauerland zu sehen war, hat man großflächig Fichten und, in tieferen Lagen, Kiefern angepflanzt." 

Viele Hektar Wald sind in Monokultur entstanden. Die Fichte wurde in Regionen gepflanzt, die am Rande ihres natürlichen Spektrums lagen, was ihren Erhalt unter den veränderten klimatischen Bedingungen unmöglich macht. Der Förster geht davon aus, dass sie im Wald der Zukunft nur noch vereinzelt im Sauer- und Siegerland vorkommen wird und das auch nur an den schattigen Nordhängen der höheren Mittelgebirgsregionen. 

Der klimastabile Wald der Zukunft ist bunter

Der Wald der Zukunft ist für den Experten der Mischwald. Unterschiedliche Nadel- und Laubgehölze, dazwischen Sträucher, Flachwurzler, Tiefwurzler. Die Mischung macht den Wald klimastabiler und sorgt dafür, dass natürliche Gegenspieler nicht einfach von Baum zu Baum wandern können. Denn auch fremdländische Baumarten, von denen man einige Zeit dachte, sie könnten uns beim Klimawandel helfen, bekommen inzwischen Probleme. So ist mittlerweile die Douglasien-Gallmücken auch bei uns angekommen - genauso wie Rosskastanienminiermotte, die es schon vor einigen Jahrzehnten aus Südeuropa über die Alpen zu uns geschafft hat.

"Es ist keine fremdländische Baumart dabei, die uns jetzt völlig rettet oder die Lösung für alle Probleme ist."

Trotzdem ist Norbert Tennhoff optimistisch, wenn er an den Wald bei uns in NRW im Jahr 2050 oder 2100 denkt.

"Es wird wieder Wald entstehen, weil die Natur sich immer selbst hilft. Aber er wird ganz, ganz anders aussehen, als das, was da vorher stand.“

Autorin: Nina Tenhaef

© RADIO NRW

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