Ruhrverband: Die Wasserwächter

Wasser ist mal zu viel und mal zu wenig da - erst recht in Zeiten des Klimawandels. Das Hochwasser vom Juli 21 war ein Extrem, der Dürresommer 2018 das andere. Man kann solche Extreme so gut es geht regeln oder zumindest abfedern. Seit 125 Jahren gibt es einen Verband, der versucht, das gesamte Wasseraufkommen im Ruhrgebiet zu managen.

Seit 111 Jahren heißt dieser Verband Ruhrverband. Die Fachleute in Sachen Wasser sorgen dafür, dass wir genug Wasser haben und dabei nicht absaufen.

© Ralf Schaepe

Der Sommer ist wochenlang heiß und trocken, die Ruhr eine ölige verkeimte Brühe. In Mühlheim gibt es eine Typhusepidemie. Die Industrie bricht zusammen, weil ihr Wasser fehlt. Das war 1911. Und es war der Grund, den Ruhrverband ins Leben zu rufen. Seit 1990 gibt es ihn in der jetzigen Form. Er managt gewaltige Mengen Wasser, die von Brilon bis Duisburg und südlich davon die Region durchfließen. Die wichtigsten Aufgaben: Wasser für die Trinkwasseraufbereitung bereitzustellen - und Hochwasser abzupuffern. Aber: Beides geht nicht gut zusammen, sagt Georg zur Strassen; er ist stellvertretender Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft beim Verband

„Wir müssen einen ständigen Ausgleich zwischen diesen beiden Zielen steuern. Die Kunst ist es, in Unkenntnis des Wettergeschehens für die Folgemonate sowohl die Trinkwasserversorgung durch möglichst volle Talsperren zu sichern, als auch, in den Talsperren Freiraum zu behalten, um Hochwasser in den unterhalb gelegenen Gebieten zu vermindern.“

Ausgleich in Unkenntnis des kommenden Wetters

Es gibt noch mehr Interessen, die berücksichtigt werden wollen. Segler und Paddler wollen Mindesttiefen für ihren Sport, und Angler und Naturschützer machen sich Sorgen um die Fischpopulationen.

Mit der Zeit hat der Ruhrverband seinen Instrumentenkasten für das Wassermanagement ausgebaut und erweitert. Er unterhält acht Talsperren und fünf Stauseen entlang der Ruhr. Kläranlagen kamen hinzu - und Wasserkraftwerke. Auch die brauchen übrigens gewisse Mindestmengen an Wasser.


Hochwasser 2021 in Hohenlimburg© Radio Hagen
Hochwasser 2021 in Hohenlimburg
© Radio Hagen

Das ständige Arbeiten zwischen Soll und Haben wirft zusammen mit dem Klimawandel die Frage auf: kann das System gesprengt werden? Also: kann die Ruhr trockenfallen, können die Talsperren massiv überlaufen? Georg zur Strassen: „Auszuschließen ist es nicht. Wir sind aber am Ball, um die jeweils vorhandenen Klimawandelszenarien zu bewerten und deren Auswirkungen auf die Steuerung des Talsperrensystem zu berechnen.“

Georg zur Strassen: Stellvertretender Abteilungsleiter Wasserwirtschaft beim Ruhrverband, © Ralf Schaepe
Georg zur Strassen: Stellvertretender Abteilungsleiter Wasserwirtschaft beim Ruhrverband,
© Ralf Schaepe

Allerdings strebt der Ruhrverband eine erste Anpassung an ein sich änderndes Klima an: Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabflussmengen sollen kleiner werden. Der Ruhrverband will per Gesetz die Erlaubnis, dass er weniger Ruhrwasser als bisher in Schwerte Villigst und zwischen Hattingen und der Mündung in den Rhein zu garantieren hat.

Das heißt auch: Der Ruhrverband versucht, den Klimawandel mit mehr Dürren in sein Regelwerk einzupreisen. Er hofft, dass das entsprechende Gesetz Ende des Jahres geändert sein wird.

Anpassung ans Klima: Mindestabfluss in der Ruhr soll gesenkt werden

Das Hochwasser des Juli 2021 war übrigens mit Talsperrenhilfe kaum in den Griff zu bekommen. Das liegt daran, dass der stärkste Regen dort fiel, wo keine Talsperre ihn aufnehmen konnte, weil keine da war.

„Im Einzugsgebiet der Ruhr liegen nur 23% der Fläche oberhalb der Talsperren. Das heißt, dass nur da das Wasser in den Talsperren zwischengespeichert werden kann. In dem großen Rest von 77% fließt das Wasser über die kleinen Gewässer direkt ab, ohne je eine Talsperre gesehen zu haben. Hier ist das Zurückhalten nicht möglich.“

Es muss schon oberhalb der Talsperren regnen, wenn man Wasser zurückhalten will.© Quelle: Ruhrverband
Es muss schon oberhalb der Talsperren regnen, wenn man Wasser zurückhalten will.
© Quelle: Ruhrverband

Auch die Volme hat keine wirksame Talsperre, um ihren Pegel regeln zu können: „Das Einzugsgebiet der Volme reagiert sehr stark, weil sie in niederschlagsreichen Zeiten sehr viel Wasser abbekommt. Außer der relativ kleinen Ennepetalsperre gibt es keine Talsperren, die Hochwasserschutz bieten können.

Und das bedeutet auch: ein Jahrhundertregen wie 2021 kann ähnlich katastrophal ausfallen, wie es zuletzt passiert ist - es kann aber auch harmloser ausgehen. Je nachdem, ob die Regenzellen vor oder hinter den Talsperren sind. Da ist auch ausgeklügeltes Management machtlos.

R.S.

© Ralf Schaepe
© Ralf Schaepe
skyline