Knappheit: Medikamente bleiben Mangelware

Erdgas und Herzmedikamente haben eigentlich nicht viel gemeinsam. Bei beiden Produktgruppen ist es aber so, dass wir sie zuletzt ziemlich unverantwortlich eingekauft haben.

Nach dem Prinzip "möglichst billig" haben wir Medikamente besorgt, vor allem aus Asien. Durch die Krisen dieser Welt, vor allem Corona, fällt uns diese Vorgehensweise aber nun auf die Füße. Man könnte Ibuprofen gegen die Schmerzen nehmen, aber auch das ist schwer zu bekommen. Auch starke Herzmedikamente, Mittel gegen Epilepsie und Antibiotika für Kinder sind knapp oder nicht mehr verfügbar. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet auf seiner Homepage insgesamt 409 Medikamente auf, die aktuell kaum zu beschaffen sind. Ein Interview mit uns hat man aufgrund der vielen Anfragen abgelehnt.

Kurzfristige Lösungen

In so einer Krise gibt es keine schnellen Maßnahmen, die in einem der reichsten Industriestaaten der Welt so richtig zu erklären wären. Nachbarschaftshilfe ist eine dieser Maßnahmen. In der Familie oder unter Nachbarn sollte man sich gegenseitig Zugang zur Hausapotheke gewähren. Dieser Vorschlag von Bundesärztekammerpräsident Reinhardt wurde zwar schnell als Trödelmarkt verschrien, verspricht aber schnelle Hilfe und kann bei einfachen Erkrankungen sofort helfen. Natürlich sollten nur frei verkäufliche Medikamente herausgegeben werden, für verschreibungspflichtige Medikamente sollte man weiter zum Arzt. Schließlich gibt es alternative Präparate oder vielleicht auch andere Behandlungsansätze.

Der Klopapiereffekt

Im Herbst 2022 haben sich die Apotheken mit besonders gefragten Medikamenten eingedeckt, oft weit über den eigentlichen Bedarf hinaus. Getriggert von Meldungen über die großen Lieferengpässe wurde bestellt, was halt verfügbar war. Die Lage war vergleichbar zum Jahr 2020 als die Corona-Pandemie ausbrach und es hieß, das Klopapier könne ausgehen. An den Kassen der Supermärkte musste rationiert, beruhigt und teils die Polizei gerufen werden. Bei den Medikamenten gibt es immerhin einen Anlass zur Sorge, allerdings auch die Pflicht zum verantwortungsvollen Umgang beim Einkauf. Einige Apotheken sind überversorgt, weil sie die Probleme vorhergesehen und sich darauf eingestellt haben. In anderen Apotheken bleiben die Schubläden dagegen leer. Die Behörden rufen deshalb dazu auf, nur das zu bestellen, was tatsächlich in einer Woche abverkauft werden kann.

Mittel- und langfristig

Die Versorgung mit Medikamenten wird teurer werden, denn die Produktion muss wieder zurück nach Deutschland oder zumindest nach Europa. Genau wie bei der Versorgung mit Energie muss Deutschland möglichst in der Lage sein, den eigenen Bedarf sicher decken zu können. Zur Wahrheit gehört aber, dass die Fehler der Vergangenheit nicht in wenigen Wochen zu beheben sind. Beim Erdgas ist es uns aber gelungen innerhalb weniger Monate auf Flüssiggas-Terminals umzustellen. Vielleicht ist es in diesem Zeitrahmen auch möglich, die Versorgung mit Medikamenten zumindest bei einigen Artikeln auf andere Füße zu stellen.

Autor: Michael Boom

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